Ich sitze im Bus, lasse den Tag gedanklich ein wenig Revue passieren.

An der nächsten Haltestelle steigt ein Teenager ein, wohl am Hintereingang. Eine junge Frau mit einem sprachlichen Handicap stürmt zum Busfahrer um ihn auf etwas hinzuweisen, er versteht sie aber nicht. Sie schickt ihren offensichtlich ebenfalls gehandicapten Begleiter zum Busfahrer. Dieser junge Mann ist immerhin zu verstehen und teilt dem Busfahrer mit, dass der Teenager hinten eingestiegen ist.

Der Busfahrer wird augenblicklich laut, beordert den Teenager nach vorne zu sich.

Was dann folgt, beschämt mich zutiefst.

In einem völlig respektlosen Ton fordert der Fahrer den Teenager auf sein Ticket zu zeigen, sich sofort auszuweisen. Er hat ein Schülerticket, keinen Ausweis dabei, da er (Schüler an einem anerkannten Gymnasium dieser Stadt) kurz nach Hause muss, um etwas zu holen und dann noch mal zurück zur Schule. Der Akku seines Handys ist leer, er kann sich nicht ausweisen. Er ist sichtlich schockiert, da ihm in kürzester Zeit Urkundenfälschung vorgeworfen wird, der Fahrer zieht das Ticket einfach so ein.

Das ist der Moment, wo es mich nicht mehr auf meinem Platz hält.

Ich gehe zum Fahrer und frage deutlich, wo das Problem liegt und werde postwendend angebufft, das sei Urkundenfälschung, „der“ könne sich nicht ausweisen, sei respektlos (Nein, war er nicht, der Fahrer jedoch schon!) Als er kurz Luft holt, platzt mir langsam der Kragen.

Ich sage dem Fahrer, dass der junge Mann nicht nachweisen kann, dass dies sein Ticket ist…und dass der Fahrer nicht nachweisen kann, dass es nicht sein Ticket ist.

Und dann fordere ich ihn auf mir ein Tagesticket zu verkaufen, mit dem der junge Mann heute fahren kann, um nachweisen zu können, dass es sich um sein Schülerticket handelt.

Der Gesichtsausdruck glich dem eines beleidigten Kindes, er knallt das Ticket hin, ich nehme es und gebe es dem jungen Mann mit der Bitte, er möge zukünftig doch besser an seinen Ausweis denken. Dieser wiederum guckt mich immer noch etwas verwirrt an und bedankt sich.

Der Fahrer ist immer noch so außer sich (warum ist mir derweilen egal) dass er erst ein falsches Ticket druckt, dann wohl storniert und mir dann, Minuten später, endlich ein Tagesticket zum Preis von 4,90€ verkaufen kann…sein Gesicht immer noch „zur Faust geballt“ während ich nun lächelnd auf mein Rückgeld warte und dem jungen Mann sein Tagesticket gebe.

Das ganze Schauspiel hat sich so lange hingezogen, dass wir mittlerweile vier Haltestellen weiter sind und ich fast schon aussteigen muss.

Erwähnte ich schon, dass der Fahrer einen osteuropäischen Dialekt hatte?

Oh…noch viel wichtiger…der Teenager sprach perfektes Hochdeutsch!

Warum ich das überhaupt erwähnen muss? Der junge Mann ist farbig.

Als ich Richtung Ausstieg gehe, möchte den beiden Petzen am liebsten links und rechts was um die Ohren hauen, gönne ihnen stattdessen den verachtendsten Blick, den ich zustande bringe. Und sie gucken mich an, als hätten sie nicht mal verstanden, was sie da getan haben…

Als ich aussteige, fällt mein Blick auf eine Frau mit Kopftuch, die irgendwie erschöpft lächelt und „Danke“ sagt. Als ich entgegne, dass das selbstverständlich sei, kommt wieder ein Danke.

Das Verkehrsunternehmen beschäftigt übrigens Mitarbeiter aus aller Herren Länder…und ja, ich werde mich beschweren.

Achja…ich bin in Deutschland geboren, habe aber keinen deutschen Vornamen…habe Piercings im Gesicht, oft bunte Haare und bin aufgrund von Adhs manchmal ziemlich vergesslich. Angenommen, ich würde meinen Ausweis mal vergessen…und hätte nur mein Deutschlandticket bei mir…dann glaube ich trotzdem nicht, dass man mich so behandeln würde…und das beschämt mich eigentlich noch mehr…

2023…man kann gar nicht so viel essen, wie man manchmal kotzen könnte…